„Mein Ziel waren 100 Kilometer“ – Alex über seinen ersten 100er

125,7 Kilometer in 3 Stunden und 21 Minuten, vXC 37,39km/h: Alex hat Anfang Mai einen bemerkenswerten Streckenflug hingelegt.

Im Interview mit Sascha erzählt er, wie es dazu kam, was unterwegs alles schiefging – und warum ein Bauernhof und ein Bier am Ende den Unterschied machten.

Der Weg zur Strecke

Sascha: Alex, bevor wir über deinen 125-Kilometer-Flug sprechen – wie lange fliegst du schon, und wie bist du zum Streckenfliegen gekommen?

Alex: Ich fliege seit knapp zwei Jahren. Den B-Schein habe ich direkt im Anschluss an den A-Schein gemacht. Schon am Anfang hat mich das Streckenfliegen gereizt – am Platz zu kreisen, war nie so mein Ding. Ich wollte immer „weg“.

Erste Versuche, erste Fehler

Sascha: Wie sah deine bisher längste Strecke vor dem Hunderter aus und wie gehst du vor?

Alex: Schwer zu sagen – mein Vario ist öfter mal ausgestiegen. Aber so um die 60 Kilometer waren es schon. Ich plane grundsätzlich wenig, weil ich nicht noch mehr Zeit für das Hobby investieren möchte. Ich versuche mir aber immer einen Überblick zu verschaffen und dann spontan zu entscheiden. Ich fliege nicht um irgendwelche Kilometer zu erreichen, gut über 100km war mein Ziel, aber das möchte ich nicht mit Glück fliegen, sondern auch bereit dafür sein. Letztes Jahr hätte ich bei den Bedingungen sicher vorher einen Landeplatz gesucht, zu anspruchsvoll. Ich probiere mich bei jedem Flug neu aus, lerne gerne aus Fehlern, mache aber nichts Unüberlegtes. Dieser Flug ist sicherlich schon mal ein tolles Ergebnis, aber ich habe noch sehr viele Baustellen!

Sascha: Mit welchem Schirm fliegst du?

Alex: Seit dem Winter den Advance Theta, ist ein Mid-B. Ich wollte eigentlich meinen A Schirm weiter fliegen und anfangen verschiedene Schirme in diesem Jahr zu testen aber ich kaufe immer, wenn mir langweilig ist und es gab da anscheinend mal einen Abend davon. Vorher hatte ich mal einen High-B Schirm von UP probiert, toller Flügel, spürte ihn sofort, aber ich wusste, für anspruchsvolle Bedingungen wäre der mir vorerst zu heftig und ich muss noch viel lernen. Mit dem Theta war ich anfangs nicht zufrieden, denn ich spürte ihn kaum, aber das hat sich geändert, inzwischen sind wir Freunde.

Frühling, Thermik, Taktik

Sascha: Die Tage rund um den 1. Mai waren thermisch sehr stark. Wusstest du beim Start, dass das dein Tag wird?

Alex: Ich wusste, es könnte was gehen, aber mir war der im Laufe des Tages immer stärker werdende Wind auch bewusst. Fliegen ist nur gut, wenn die Landung danach passt, und in letzter Zeit hatte ich viele komische Landungen, die aber wichtig für meine fliegerische Entwicklung waren. Ich mag es, in die Richtung meines Wohnorts zu fliegen, da kenne ich mich mehr aus. Tatsächlich habe ich in der Früh nochmal auf die ICAO Karte geschaut, um zu sehen was mich da so alles in der Richtung erwartet. Ich wusste aber, auf der Strecke habe ich einige Schlüsselstellen und die muss ich erst mal überfliegen, dann schauen wir weiter. Die Navigation und die Lufträume und das Umschalten am Vario und dabei auch noch sicher zu fliegen und Hände frei zu bekommen,  da bin ich absoluter Anfänger, aber es war ein guter Einstieg.

Sascha: Und wie war der Start?

Alex: Ich habe zwei Schlepps gebraucht. Beim ersten habe ich mich in einer nicht zu starken Thermik mit dem Wind versetzten lassen und fiel dabei heraus. Ich wusste ich muss beim nächsten Mal mehr vorhalten. Beim zweiten Start lief dann alles rund – ich hatte drei Piloten vor mir, die wollte ich erstmal in der Höhe einholen. Das hat auch geklappt. Also suchte ich mir die nächste Aufgabe, da sah ich noch höher einen Segelflieger und zu dem kurbelte ich noch hoch, winkte ihm zu und ging in den Beschleuniger. Die Reise begann. Ich habe noch zwei weitere Piloten gesehen, die sich auf den Weg gemacht haben. Ich suchte mir aber meine eigene logische Linie, fragte mich aber, wieso die anderen so weit nördlich fliegen, wissen die mehr? Aber ich dachte mir, ich ändere jetzt nicht meine Linie, egal was kommt, ich fliege mein Ding. Ziemlich schnell habe ich auch die Piloten aus meinem Sichtfeld verloren, lag wahrscheinlich auch an der Konzentration, immer genug Höhe zu haben und wieder Thermik zu finden und den Beschleuniger maximal für mein Können auszureizen.

Zwischen Freude und Frust

Sascha: Wie war das Wetter insgesamt?

Alex: Es gab schöne Wolkenstraßen aber auch Blauphasen. Ich bin nicht der große Wolkenleser, aber ich weiß: Wenn die Dinger ziehen, dann geht was. Also habe ich versucht immer in weiter Ferne die möglichst wolkenreichste Linie zu fliegen.

Sascha: Hattest du eine konkrete Route oder eher „mal schauen, was geht“?

Alex: Eher Letzteres. Mit dem Wind, viel mit Beschleuniger und immer die nächste Wolke im Blick. Schlüsselstelle für Schlüsselstelle habe ich mich vorgearbeitet bis ich für mich fliegerisches Neuland überflog.

Die Schlüsselstelle bei Speichersdorf

Sascha: Um Speichersdorf herum warst du ziemlich tief. Was ging dir da durch den Kopf?

Alex: Ich bin da schon mal gelandet und wusste, da geht’s nur abwärts und wenn, dann musst du alles mitnehmen. Da ist mir wieder ein Pilot vor mir aufgefallen, der über den Rauhen Kulm flog, das war auch mein Ziel, so ein kegeliger Kaltvulkan mit Türmchen, da muss was gehen und ich brauche dringend Höhe! Ich sah dem Kollegen zu und er sank weiter. Ich sagte mir, na warte, ich zeig dir mal, was der Kulm kann! Und mein Vario hatte nix besseres zu tun, als einen nervigen, tiefen Dauerton zu pfeifen. Dann suchte ich zwanghaft, eine Stelle an der man sicher landen kann und natürlich nach Stellen an denen noch Thermik stehen könnte…. Ich flog drei Stellen an und wusste, bei der Höhe wird die Thermik knallhart werden und turbulent, ich bereitete mich schon mal mental darauf vor.

Auch die zweite Stelle: nichts! Ich hatte nur noch eine Möglichkeit, die Letzte. Schließlich war’s ein Bauernhof mit zwei schwarzen Güllewiesen, der mich gerettet hat. Da ging’s dann wieder steil nach oben.

Kampf mit der Technik und ein gefährlicher Wald

Sascha: Danach hast du dich in einem Nullschieber ewig gehalten – was war da los?

Alex: Ich hatte mit dem Vario zu kämpfen, war ständig am Bildschirm rumstellen, wollte nicht gegen eine Mauer (Luftraum – Verbotszone) fliegen. Ich war über einem Wald, Anfangs am Rand, aber der Wald hat mich angesaugt und ich hatte fast keine Vorwärtsfahrt, aber ich konnte auch nicht in den Wald fliegen, da Grafenwöhr dort beginnt. Und es gab keine Landemöglichkeit dazwischen. Die Thermik hat da richtig gezogen, aber es war alles bewaldet. Ich wusste: Wenn ich da reinfliege und nix geht, wird’s eng. Ich wollte nicht aufgeben, kämpfte mich aus dem Wald und hab dann noch die Belohnung bekommen. Aber es war ein harter Kampf. In Grafenwöhr hat es gebrannt, wahrscheinlich ist dort eine Bombe nieder, schon komisch dort von oben reinzuschauen.

Über die Grenze – in jeder Hinsicht

Sascha: Dann kam die Tschechei. Wie hast du das bemerkt?

Alex: Ich habe irgendwann auf dem Vario gesehen: 98 Kilometer zum Startpunkt. Da wusste ich: Die 100 schaff ich heute!

Ich habe dann gemerkt, dass sich die Landschaft verändert – weniger Straßen, andere Struktur. Ich habe auch keine Wiese mehr gesehen, nur noch Felder und Sumpf. In weiter ferne eine größere Stadt. Könnte Pilsen sein.

Dann kam die Unsicherheit: Wie hoch darf man in Tschechien fliegen? Ich habe keine Ahnung gehabt, bin vorsichtshalber am Rand der Wolken raus, um Höhe abzubauen, weil alle Segelflieger oder kleinere Motorflieger, die ich so sah, wesentlich tiefer waren, mach ich da was falsch???  Dann kam irgendwann eine Stelle, an der keine Wolken mehr aufzufinden waren. Komplett blau, also konzentrierte ich mich auf Auslöser am Boden und suchte nach einer guten Landestelle. Ich flog noch zwei mögliche Thermikquellen an, hatte aber nur Nullschieber und nicht wirklich etwas Gutes und eigentlich war auch die Lust raus, da nochmal zu kämpfen. Außerdem waren die Landemöglichkeiten eher gering und ich bereits viel zu tief und ich wollte nicht nochmal eine komische Landung riskieren.

Die Landung im Raps und die Belohnung

Sascha: Wie lief die Landung?

Alex: Ich habe mir einen schmalen Wiesensaum ausgesucht, den Einzigen, den habe ich aber nicht mehr ganz erwischt. Ich bin ein paar Meter im Rapsfeld gelandet – aber es war noch okay. Keine Schäden. Ich wurde da nochmal von einer Ablösung überrascht, die meinen Endanflug versaute.

Sascha: Glaubst du, es wäre noch weiter gegangen?

Alex: Der Gerhard ist weiter geflogen, was ich später erst erfahren habe, also möglich wär’s gewesen. Aber ich war glücklich. Mein Ziel waren 100 Kilometer – das habe ich erreicht. Jetzt ist das nächste Ziel 150, aber das nehme ich mir für nächstes Jahr vor.

Rückkehr mit Bier

Sascha: Wie bist du zurückgekommen?

Alex: Ich hatte keinen Stress, denn ich musste nicht zur Arbeit, aber dann ein kurzer Schock: Mein Handy war tot und hatte erstmal kein Netz. Ohne Handy merkt man erst, wie abhängig man ist. Ich dachte, okay, jetzt beginnt das richtige Abenteuer, wie komme ich da raus.

Dann habe ich mitbekommen, dass Martin Richter auch in der Nähe gelandet ist. Ich bin zu ihm gelaufen – und er hat mir ein kaltes Bier in die Hand gedrückt. Dann kam Lissy und hat uns abgeholt. Es war ein perfekter Abschluss für so einen Flug und ich war sehr dankbar. Mit einigen Tschechischen Dosenbier lachten und feierten wir bis Siegritz.

Danke an Alle, die mitgefiebert, verfolgt und vor allem mich/uns abgeholt haben.

Sascha: Super, Alex. Herzlichen Glückwunsch zu diesem tollen Flug und danke fürs Erzählen. Ich drück dir die Daumen für dein nächstes Ziel!

Alex: Danke dir!

Hier noch ein Link zum erwähnten Flug von Gerhard Schmittlein mit 142km

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